Hans Joachim Teschners

Lebens-Quark 23

 


 

Die Reise nach Ägypten war auch so ein Ding. Sie führte uns nach Münster, dann in die Türkei. Man kann den Türken ja vieles nachsagen, aber dass man sie mit dem genuin ägyptisch-nofretetischen Menschenschlag verwechseln könnte, das wäre denn doch zu weit über die Toleranzgrenze hinausgeschossen. Allein der Dress-Code: Hie das frisch wallende Beduinenkleid in arabico, dorten der von Kemal Atatürk verordnete braune Landfahreranzug aus der Kleiderkammer des Trübsinns. Wir waren enttäuscht. Da nütztete auch der Hinweis auf gleichmuselmanische Religionswurzeln nichts.






Überhaupt Muselman. Oder auch Mann, also Muselmann. Der Ostpreuß würd sagen: das Muselmännche. Den Ostpreuß als Prototyp von Vertreibung und ulkiger Aussprache freilich gibt es der Sage nach nur noch in Form von verwitterten Jenseitswesen (S. Lenz, G. Grass). Als Vertreter des untergegangenen Prussenreiches prusselt dieses Grassche oder Lenzche aber nicht über das Muselmännche, auch nicht über die ägyptisch-türkische Verwechslungsscharade unserer Urlaubsirrfahrt, sondern schreibt unorientalisch anmutende Prusselche (das meint Geschichtsklitterchen) Letter für Letter ins Gedächtnis des Nachfolgegesochses (Nachfolge-Gesochses; Gesochs, welches nachfolgt; muss man eigentlich alles erklären?).

  

 

Wir jedoch, die wir als Mittelstandsfamilie in die Ägyptei zu destinieren gedachten,

(meine postpubertären Schwestern Hiltrud und Gertrud im Schlepptau),

landeten statt an seiner Statt in das dereinst wohl europäisierte Zonenrandgebiet

Wildes Turkmenistan (K. May) via Münster, Coffee to go, Flughafen, 

 

Wer wollte uns da einen gewissen Unmut verdenken.

(Oder heißt es: nicht verdenken?)

 

Trotz der uns heimgesuchten Unbill wurden wir im Gefolge der die Originalroute umleitenden Ausweichalternativen dann doch noch einiger Artefakte ansichtig, die des originär Muselmanischen nicht entbehrten. Den Bart des Propheten konnten wir sogar bestaunen, ein dürres Härchen (diesmal nicht ostpreußisch verniedlicht in o. a. Redemanier, sondern als in Tatsachensprech gekleidetes Begriffs-Kleinod, wobei das Kleine hierbei die Überhand über od zu gebieten hat, denn spärlich  war das Härchen = kleines Haar schon), welches (das Härchen), so glaube ich zu erinnern, in eine Art Wachskugel oder –klumpen hineingepfriemelt war resp. aus ihr herauslugte; dürr (sagte ich bereits), grautrocken, altersbrüchig, uneingeseift biestig.

 

Die Cheops-Pyramiden hätten einen weitaus ansehnlicheren Gegenwert zu unseren Reisekosten geliefert. Nörgelte mein Vater. Onkel Bastian, der alte Kriegsveteran und Haudegen, diese Frontsau mit dem EK1 und angepapptem Eichengestrüpp, hätte angesichts der schreienden Versehens- und Versagensschweinerei mit seinem Karabiner 98 dem Reiseleiter das Hasenpanier auf die Pelle geschmort, darauf kannst du einen lassen. Augenrollte mein Vater, als wir wieder draußen waren und uns von Moscheen, Minaretten und Schuhputzern umzingelt sahen.

 

Dazu kam es natürlich nicht, denn Onkel Basti hätte eher einen Iwan mit seinem 98er in die Birken geballert – statt ihm waidgerecht das ewige Licht leuchten zu lassen –, als sich vergnügungslüstern in die Gefilde nichtarischer Zweigstellen des Untervolkes zu transferieren. Weltkrieg I hin, Weltkrieg II her: Das machte keine Fliege mehr aus einem Elefanten, wenn Sie wissen, was ich meine.

Unter Feldmarschall Rommel dagegen, dem Wüstenfuchs, hätte es anders kommen können. Mit dem legendären Afrikakorps auf stählernen Panzern durch die Oasen rattern und die Wüste dem Erdboden gleichmachen: Okay, das wäre noch eine Option gewesen, aber Onkel Basti hatten sie ja zum Russen geschickt, zum Iwan.

                       
             اليدتَسْدِيدالدَّيْنتَسْ دِيد

 

                    
Muselmuezzinisches Gejaul
Hernach meinte die Reiseleitung uns gut aufgehoben in der tief-islamischen Religionsmetropole Bursa

– das über uns hereinbrechende Muezzingejaule hallt noch heute in meinen Hörgängen wieder.

 

 

Ach Ägypten!

                                                                                                                                                                           

Meine Geschwistertruden Hil- und Ger- setzten dem Urlaubsdesaster dann die Krone aufs gedornte Haupt. Unzüchtig mit Bikini resp. knappster Unterwäsche angewandet (Stringtangas gab’s noch nicht, gelobet sei der Herr!) vollzogen sie eine Liege-, Fleischbeschau- und Sonnenbratperformance in einem öffentlichen Park von Bursa, worauf die herbeigezürnte Sittenpolizei mit turkmenischer Schnauzbärtigkeit zipfelhosig in die Lagune flüchtete; ich sage mal Lagune, weil mir kein besseres Wort für die aufstaubende Einöd einfällt. Sodann kam ein Herr hervorgeprescht, der Dokumente vorzeigte. Daraufhin zupfelten Hiltrud und Gertrud den Verschluss ihrer BHs auf, entledigten sich der textilen Camouflage und zeigten dem Herrn ihre zugegebenermaßen prallgeilen Hintern.
Knappste Unterwäsche

 

Ich frage: Wozu ist das Menschengeschlecht noch fähig?

 

Vater zeterte,  Onkel Basti hätte die faule Brut noch in der gleichen Sekunde über den Haufen geschossen.

Mutter gab dem Adolf die Schuld, „der hat doch alles vermasselt“.

 

Hiltrud giftete unflätig zurück, spuckte Wortbuletten aus über die Unterdrückung der Frau in einer männerdominierten Gesellschaft, vom Protest gegen Verhüllungszwang und Ausbeutung und sowieso vom Selbstbestimmungsrecht des Menschen, das sei in der Verfassung garantiert und gelte auch für die Kanaken.

             
             Hot-Dog Stüberl

 

„Einen Arsch kannst du!“ brüllte Vater, offenbar von den provokativen Hintern seiner Brut affiziert.

 

Gertrud fummelte nun sogar an ihrem Slip herum. Das Recht auf ihren eigenen Körper lasse sie sich nicht nehmen, belehrte sie das anwachsende Auditorium aus seriös gekleideten Herren muselmanischer Gesinnung und uniformierten Glutäugigen im Dienste der Staatsmacht, die sich anheischten, meine Schwestern in die berüchtigten osmanischen Verliese zu verschleppen, um ihnen dort den Koran zu lehren.

Aber Gertrud war in Fahrt. „Auch die Ägyptinnen hier“, kreischte sie, und sie sprach das Wort mit großem I aus: ÄgyptInnen – „sollten sich an uns mal ein Beispiel nehmen! So nämlich sieht Freiheit aus, von Menschenwürde ganz zu schweigen.“ Zum Beweis schleuderte sie ihren Slip auf die Nase des nächststehenden Gaffers.

 

So jedenfalls habe ich die Szene in Erinnerung.

Später, beim Bierheben mit dem ewigen Zweitgitarristen Diedel, verwischte sich das Bild zusehends.

Möglicherweise hatten meine Geschwistertruden Hil und Ger mächtig auf den Raki gehauen, diesen als Löwenmilch verharmlosten Fuselsuff des Muselvolkes. Tatsache aber bleibt, dass wir als Restfamilie torsogleich diesmal in Hamburg zurücklandeten, auf Betreiben des deutschen Konsulats, ohne die beiden Suffragetten. Die kamen ein paar Monate später nach und sprachen fortan kein Wort über den Vorfall und über die Zeit in den Verliesen der stolzen Osmanen.

 

„Ägypten mal anders“, sagte Diedel und hob den Krug.

„Aber hallo“, sagte ich.

 

 

Gesichter eines Lebens

              

H. J. Teschner                                       H. J. Teschner                                        H. J. Teschner                                        H. J. Teschner

 

Nachtrag

Viele Jahrhunderte später beginnt die fanatische Aktion meiner Schwestern Gertrud und Hiltrud Wirkung zu zeigen, infiltriert wie ein schleichendes Gift die Köpfe deutscher Politiker. Nunmehr, hinter der Schwelle des 2. Jahrtausends, werden hier und heute Muslima in ihrem eigenen Interesse gezwungen, sich in aller Öffentlichkeit zu entblößen.  Angefangen hat es mit dem Kopftuchverbot (vorgebliches Religionssymbol). Ein erster Schritt hin zur Selbstbestimmung der Frau in einer migrantisch verseuchten Parallelgesellschaft. Wer A sagt, muss aber auch B sagen, und es müssen und werden folgen:

 

Verbot des langen Rockes über der Hose (Religionssymbol).

Verbot des kurzen Rockes über der Hose (Religionssymbol).

Verbot der Zwickelhose (Religionssymbol).

Verbot des BHs  (Verhüllungszwang der repressiven Männergesellschaft).

Verbot des Unterkleides (verkapptes Religionssymbol, auch Mohammed trug ein Kleid).

Verbot des Tragens der gesamten Oberbekleidung und der Unterwäsche, sofern sie muslimisch geprägte Verhüllungsmechanismen repräsentieren (gewalttätiges Männerjoch).

Verbot des Tragens von Schamhaaren wegen des Vermummungsverbotes und sowieso wegen eines Religionssymbols.

 

Und wir hatten uns wegen unserer nackten Schwestern im Park von Bursa geschämt!

 

 

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