Hans Joachim Teschners

 

Lebens-Quark 20

 

 


 

 

 

 

 

 

Montag, vor dem Edeka-Markt

 

Walter:     Heute nehme ich den Korb, sonst ja nur den Einkaufswagen.

Jerry:        Den Einkaufswagen nehme ich fast nie.

Walter:     Wenn ich auch so wenig zu besorgen hätte, herrje, aber so!

Jerry:        In den Korb kriege ich immer alles rein.

Walter:     Weil Sie nur wenig zu besorgen haben. Wer Familie hat, kommt um einen

                 Einkaufswagen nicht herum.

Jerry:        Toilettenpapier! Die Großpackung Toilettenpapier! Dann benötige ich

                    ebenfalls einen Einkaufswagen.

 

            Hausfrau, seitlich:   Und Küchentücher, die auch!

            Zweite Hausfrau:    Toilettenpapier und Küchentücher, die sperren.

            Erste Hausfrau:       Wenn das die Männer wüssten.

 

Walter:     Ohne Familie bräuchte ich auch nur den Korb.

Jerry:        Wenn man den Einkaufswagen nimmt ist man auf der sicheren Seite. Da
                passt alles hinein.

Walter:     Im Grunde braucht man keinen Korb, nur den Einkaufswagen.

Jerry:        Zur Sicherheit immer den Einkaufswagen, man weiß  ja nie.

Walter:     Eine gute Einrichtung, der Einkaufswagen, damit gerät man nicht in die
                Bresche.

Jerry:        In die Bredouille meinen Sie wohl.

Walter:     So oder so, am Einkaufswagen kommt man nicht vorbei.  

 

 


 

Die Ausübung der verschiedenen Künste hatte mich einmal beinahe auf den Weg der Beschaffungskriminalität gelenkt. Gewiss, ob Malerei oder Poesiewerk: Mit Griffel, Packpapier und zwei, drei Farbklecksen gelingt schon mal ein ansehnliches Stück Kunst. Und einen mächtigen Kunsthaufen konnte ich allein durch den Einsatz einer Schaufel herstellen, am Strand von Dangast; Sand und Schlick gab es frei Hand und mehr braucht es nicht, um einen dicken Haufen Kunst aufzutragen.

Schwieriger gestaltete sich die Beschaffung der Materialien zum Projekt „Wasserkunst – Kunstwasser“. Hierfür hatte ich vorgesehen, das Freibad von Dangast mit Kunstwasser zu füllen und Rita nebst ihrem Macker Karl-Heinz darauf kunstrasenradeln zu lassen. Zunächst mussten wir das Becken auspumpen, denn das dort angesammelte Naturwasser widersprach allen Regeln der Ästhetik vor und nach Hegel, Adorno und Engelbert Huber sowieso. Rita meinte sogar, das Wasser sei in einem kalamitären Umfang durchsotten, ein Zustand wie bei der Geburt des Herrn. Was sie damit sagen wollte war, wie so oft, nicht ganz klar, entsprach aber unseren Vorstellungen von Akklamation und artifizieller Adäquanz, ein Begriffsmasch bzw. –misch oder – geeint im Sinne des Herrn – als Maschmisch ebenso deutlich artikuliert wie die Ausladung der missliebigen Gäste des Herrn beim Abendmahl, ich weiß gar nicht, wieso dieser Herr immer wieder in den Text hineinfuhrwerkt, wo es doch um die hehre Kunstausübung im Zeichen des Herrn – da, schon wieder!

 

In der Reha

A: „Bin gerade auf dem Weg zur Anwendung.“

B: „Gestern hatte ich zwei Anwendungen.“

A: „Die habe ich morgen, heute nur AT und Vortrag.“

B: „Man rennt von einer Anwendung zur nächsten.“

A: „So ist es. Vor lauter Anwendungen kommt man zu nichts.“

 

 

In der Reha (Wasseranwendung)

A: „Beim Wassertreten spritzt es, wenn man nicht aufpasst.“

Therapeut: „Immer schön von oben eintauchen, wie ein Storch.“

A: „Leicht gesagt, aber die Hose klemmt im Knie.“

Therapeut: „Wie ein Storch stiefeln, dann spritzt es nicht.“

A: „Die Hosenbeine noch höher aufkrempeln, dann geht es.“

B: „Es spritzt nicht, wenn man wie ein Storch stiefelt.“

 

 

 

Das Dilemma fing ja schon in seiner ersten Phase an. Die Pumpenarbeit sollte ein Individuum aus Leer besorgen, das sich brüstete, schon zig Terrarien ausgepumpt zu haben ohne auch nur einen  Tropfen Lurch Wasser zu vergießen. Außerdem habe er als Bassgitarrist sowieso keine Zeit, da er gestern (gestern!) einen Anruf bekommen habe, und den müsse er gewissenhaft checken (checken!), und das könne sich über das Wochenende hinziehen, da er in Vorbereitung auf die zu erwartende Akquise die hypertonische Jazzskala in E-mixolydisch auf eine e-basskonforme Arbeitsplattform transponieren müsse mit international standardisierten Vorgaben für Fingersatz, Tapping und Slapstrecken.

Meine Güte! Ein Wort hätte auch gereicht („binverhindert“).

Sonach wäre es also nichts geworden mit dem Abpumpen des Brackwassers, wäre da nicht das wäre gewesen. Wäre nämlich das ostfriesische Individuum in die Bütt Pflicht gesprungen, ja dann wäre das Naturwasser abgeschöpft worden und die Schlamassel (Mehrzahl, deshalb ‚die‘) hätten ungebremst ihren Weg in die abschüssige Fahrbahn antreten können, will heißen, das Becken hätte seine untergründigen Geheimnisse preisgegeben als da wären Ratten (tot), Kinderräder (rostig), Bifokalgläser (teuer), Fußpilz, Schlamm (schlammig) sowie Hausmüll aus der Deichstraße Nr. 55 (Petershagen, das war ja klar).

So aber waren wir in der Lage, das Kunstwasser ohne Umweg einfüllen zu können. Weil wir es einfach auf das Naturwasser aufgesattelt hätten. Wenn uns da nicht das bereits erwähnte wäre erneut hineingespatelt wäre (spateln? wohl eher stapeln; oder stolpern? stiefeln ginge auch).

Denn ein fulminant aufkreischendes Dilemma sprang drittfragig ins Auge der Gelehrten.

Erstens: Was ist Kunstwasser?

Zweitens: Wie und wo stellt man es her? (wann wurde vergessen)

Drittens: Womit transportiert man es, wenn es

3.1. nur zweidimensional sein sollte

3.2. fettig ist und deshalb gegen Bademeistervorstellungen von Sitte und Sauberkeit verstößt

3.3. als Gas unsichtbar hier- und sogar dorthin treibt, nie aber in Reichweite von Keschern, Saugapparaten oder Fanggeräten jedweder Denke (Denke?).

Ich beschloss, Walter zu fragen, gab das Vorhaben aber auf, da Walter auf einer anderen Erzählebene agierte und ich keinen Zugang fand. Vor dem Edeka-Laden entdeckte ich auch keinen Walter.

Dafür ging Rita mit ihrem Macker ins Bett, um aus ihm vielleicht eine Eingebung herauszupoppen. „Plastik“, keuchte er final, „warum haste nicht gleich gefragt.“

Darauf hätten wir auch selbst kommen können. Plastikwasser, Made in Taiwan, 100 Euro das Stück. Hatten wir nicht. Schon gar nicht die 4000 Euro für die benötigten 40 Stück Kunstwasser.

Und hier komme ich auf die Eingangsmeldung zurück. Um an die 4000 Euro zu kommen, wäre ich beinahe der Beschaffungskriminalität aufgesessen. Ein Glück, dass da noch das wäre einen Riegel zwischen die Tür gesetzt hat.

Wir wären sowieso nicht in das Freibad hineingekommen. Wegen dieses Herrn, der an der Kasse saß. Der hatte recht erlesene Vorstellungen über Höhe und Art des Eintrittsgeldes. Von mir verlangte er umgerechnet 10 Euro für eine halbe Stunde, Rita kam umsonst rein und Karl-Heinz sollte die Toiletten putzen, das Dach der Umkleide erneuern und den Kaffeeautomaten reparieren.

Wir weigerten uns einstimmig (bis auf Rita).

Am Ende der Saison schloss der Kassierer mit einem Minus in der Kasse ab.

Der Fall geistert seitdem als Freibad-Paradox in den Lehrbüchern der Finanzwirtschaft herum.

(Alan Greenspan: Die Dangast-Falle; Helmut Schelsky: Die Kasse zahlen die anderen;

Josef Ackermann: Ich hätte besser kassiert!)

Aber das nur am Rande.

 

In der Reha

A: „Zirkeltraining hatte ich gestern, heute ist Qi Gong dran.“

B: „Kenne ich. Tai-Chi oder Qi Gong, alles eine Soße.“

A: „Was ich noch nicht hatte ist Kneipp.“

B: „Besser Kneipp als gar keine Anwendung.“

 

 

 

 

 

 

  Dr. Brandstetter 
 






 

Umwandlung

„Heirate mich“, sagte Dr. Brandstetter zu ihm. Man muss wissen, dass er bereits zwei Kinder geboren hatte, bevor er anfing, sich als Frau zu fühlen. Die vielen Jahre in der Sauna können diese Veränderung nicht bewirkt haben. Irgendwann ihm Mai erregte ihn ein bärtiges Gesicht, dass ihn ausdrucksleer anstarrte. Dr. Brandstetter fühlte, wie ihn eine sexuelle Wollust überkam, die er vorher nie empfunden hatte. Auf einmal schien ihm alles einfach und natürlich. Statt sich die Zähne zu putzen ergriff er den Rasierapparat und tat, was mit einem Rasierapparat zu tun ist. Nach sorgfältigem Schnitt hatte sich das bärtige Gesicht im Spiegel in ein rosiges, glattes Schweinsgesicht verwandelt. Es hatte weiblich-weiche Konturen, und er begann es zu hassen. Da wusste Dr. Brandstetter genug.

 

 

Die folgende Rubrik erfreut Google-Junkies und andere Schlüssellochgucker und lässt die communities alt aussehen: Bilder aus dem Privatalbum, unverhohlen der Welt preisgegeben.

Gesichter eines Lebens

           

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