Hans Joachim Teschners

 

Lebens-Quark 8

 

 


                      

Nach meiner Ausbildung (Lochstanzer) zum Palettennagler (1983) und einer einsetzenden Nekrotisierung (12. Juni) des linkshändigen Partialbereichs der Nordniere im Angesicht meiner beruflichen „Zukunft“ (Habermas) beschloss ich, meinem pekuniären Notstand mit dem Verfassen eines Kinderbuches ein Ende zu setzen. Ich hatte bemerkt, dass Kinderbuchautoren erstens im Reichtum badeten, vom kollateralen Ruhm ganz abgesehen plus dem Erklimmen der gesellschaftlichen Sprossenleiter bzw. Leitersprossen; präzise: dem Erklimmen ohne Wenn und Komma.

Und zweitens ging es mir flott zur Hand. An die zwanzig Romane, Märchen und Abenteuergeschichten flutschten aus meinem Schriftstellerärmel. Ich gab ihnen Titel, die jeden Draufblicker sofort umgehauen hätten; hier einige davon zur Anschauung und Ehrfurchtheischung:

Das Haupt im Affenschrein

Verlaust im Laberheim

Der Staub am kahlen Bein

Der Laut des Daddelreims

Entlaubt vom Blatterkeim

Das Kraut am Knatterstein

Besauft vom schalen Wein

Der Raub der Wabbelsteins

Letzteres Märchen (Der Raub des Wabbelsteins), das bis auf den heutigen Tag einsehbar ist (siehe Der Raub des Wabbelsteins) und Zeugnis gibt vom unerhörlichen Fließen der Ideen (in: Der Raub des Wabbelsteins), dieses Phantasmagorama gab die Vorlage zur plan geschliffenen Endversion des Prädikatsmärchens, wo das lautete:

Die Braut des Grabbelschweins

 Der Mond hatte sich noch nicht versichelt, da hatte ich den veritablen Trumm (1034 Seiten) zusammengetippt. Er prunkte mit opulenten Szenen und fesselte mit lustigen Dialogen, spannenden Abenteuern, Liebeleien, Eifer- und  Sehnsuchtsprozeduren, sprotzenden Szenarien und einem farblüsternen Plot. Die anpeilte Zielgruppe, Kinder jeglicher Jugendlichkeit, entgrenzte sich vor Begeisterung, so jedenfalls das 7-jährige Nachbarmädchen Brigitte Michaela (sprich Brieschit Mischell), dem ich die Geschichte vorlas. Das Märchen hatte Brigitte Michaela praktisch verschlungen (oder war es umgekehrt?), und sie musste von ihrer Mutter mit dem Bügeleisen von der Lektüre losgeeist werden, das schwöre ich.

Ich hatte ja keine Ahnung.

Davon wird nunmehr berichtet.

Um das Buch zu vermarkten bewarb ich mich bei den gängigen Kinderbuchwettbewerben (1985 - 1987). Misserfolg pur: Schleimige Absagen, vernichtende Kommentare, moralinsaure Vorwürfe („Soll diese Witzsammlung die Kinder von der Realität ablenken? Wollen Sie das wirklich?“). Zusammengefasst: Meiner Geschichte fehle die pädagogische Komponente, Werte würden nicht vermittelt, der Reifungsprozess Jugendlicher nicht unterstützt, Historie nicht erlebbar gemacht, die Genderproblematik unzureichend berücksichtigt usw. – kurzum, das Elaborat sei „Opium für Kinder“.

Gut, zwar warf mich die Kritik in die Anfangssituation meines Schreibens zurück, initiierte aber einen weitaus wüsteren Schreibanfall, dessen Ergebnis ein Jugendroman ohne Fehl und pädagogischem Makel war, dem mit rauschendem Erfolg geschüttelten Bestseller „Rajifas Freitod“.

Erste Preise auf der

-          KibuDok (Buchmesse der Kinderärzte)

-          Kibummbumm (Buchmesse für misshandelte Heimkinder mit einem Klopftrauma)

-          KibuPä (Kinderbuchmesse der Päderastenhasser)

-          KobuTu (Konvent der bunten Tunten)

  „Rajifas Freitod“ (Best.-Nr. 17395) gilt seit 1990 unangefochten als Referenz und Messlatte für die pädagogische Zunft!

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Exposé „Rajifas Freitod“

 

Rajifa (ausgesprochen Chradschiffah, hier lernt der Jugendliche frühzeitig die Aussprache fremdländischer Menschen,, Vorurteile  werden abgebaut), Rajifa also, ein lesbisches Sintimädchen jüdischer Herkunft, muss mit ansehen, wie ihre gesamte Sippschaft von den Nazischergen ins KZ verschleppt, gefoltert, verstümmelt sowie anschließend ermordet wird. Sie selbst wird beiseite geschleift zum Zweck der Mehrfachvergewaltigung, aber 5 Zentimeter vor jeder anstehenden Penetration kommt ein Bombenalarm dazwischen, und die Naziknechte flüchten in den Luftschutzkeller (Für die jungen Leser habe ich die Information eingefügt, dass die Geschichte um das Jahr 1943 spielt, also ca. vor 100 Jahren, und dass damals ein sog. Weltkrieg “tobte“, angezettelt von bösen Menschen, die sich Nazischweine nannten).

Rajifa (deutsch: Die Besenreine) kann dem KZ abenteuerlich entkommen und taumelt nach einer Odyssee durch rattenverseuchte Kanalisationsröhren in die Arme eines niedersächsischen Bauern, der sie in seine Rübenmiete einquartiert (der junge Leser lernt, dass das Wort Miete auch Grube bedeuten kann! Sprache wird als zwielichtig erkannt.). Hier, in der muffigen und dunklen Gruft, beginnt sie ein Tagebuch, das sie mangels Papier auf Rübenblätter schreibt, und zwar mit ihrem eigenen Blut. Doch ach, der Bauer hat sein unsittliches Auge auf das ausgeblichene Mädchen geworfen, und eines Nachts steigt er in die Grube, um ihr Gewalt anzutun. Da hat er aber nicht mit seinem 12jährigen Bub Horst-Anton gerechnet, der sich schon seit Ewigzeiten mit der rehäugigen Rajifa quasi verlobt glaubt.

 

Mit einem Huflattich erschlägt er seinen Vater, so wie man auf dem Felde einen wilden Ochsen niederstreckt. Davon wird er später lebenslänglich berichten.

Vor all dem Gräuel und Huflattichgemetzel flieht Rajifa ins Freie. Hier oben ist seit 4 Jahren der Krieg vorbei, wovon ihr aber der hintertriebene Bauer kein Wort mitgeteilt hat. Historisch unbelesen hält das arme Geschöpf die nunmehr von allen Seiten frenetisch bejubelte Demokratie für eine erneute Terrormasche der weißhäutigen Menschen. Sie verliert alle Hoffnung.

Inzwischen erblüht auf der Jungfrau Wangen die Pubertät mit all ihren Errungenschaften und Einzelheiten (Pickel & Pusteln; die Jugend wird da abgeholt, wo sie steht). Ein gutsituiertes Ehepaar aus Braunschweig (der Mann ist Richter am Landgericht) sieht das schwer entstellte Sinti/Roma-Mädchen  (nicht „Zigeuner“, darauf wird streng hingewiesen) auf dem Domplatz traumatisieren, nimmt es bei sich auf und pflegt es wie ein eigenes Kind, welches freilich niemals in die engere Auswahl kam, denn die berufliche Anspannung des Vaters wusste es jedesmal zu vereiteln.

In dieser Art geht es munter weiter (die realistisch dargestellten Einzelheiten bitte im Original nachlesen!). Der Roman bedient sich dabei mehrerer Perspektiven und Ebenen, ein raffinierter Kunstgriff. So wird zum Beispiel die gesellschaftlich tabuisierte Präferenz Rajifas zum weiblichen Geschlecht thematisiert, und zwar aus der Sicht einer Freundin, die sich dabei selbst „entdeckt“, ein schönes und lehrreiches Kapitel zur angesagten Emanzipation und modischen Toleranz .

 

Zu kurz kommen auch nicht die Nöte und Ängste, die Rajifa als junge Frau modellhaft in der männerdominierten Welt erleiden muss. Ihr migrantischer Hintergrund als Auslöser für unsägliche Diskriminierungen kommt ebenfalls aufs Tablett u.v.a.m.

Rajifa dankt ihren Pfelgeeltern mit der Preisgabe von Multikulti-Gepflogenheiten. So zeigt sie ihnen, wie man eine koschere Pudelmütze backt, ein Fladenbrot bügelt oder eine Sinti/Roma-Gitarre django-reinhardt-mäßig auf 80 Sachen beschleunigt.

Natürlich steuert diese beklemmende Entwicklung auf einen unkonditionierten Schicksalsschlag zu (Plot Point, geschickt vorbereitet), dem Tag, an dem Rajifa erfährt, dass ihr geliebter Ziehvater während der Nazizeit der bestialische Kommandeur des KZs war, in das Rajifa mit ihrer Familie verschleppt wurde, ja, dass er und nur er es war, der den Tod ihrer Sippschaft auf dem Kerbholz zu verantworten hat.

Kurzum: Rajifa sieht ihren Lebenssinn dahingerafft und aufgesogen. Der Freitod erscheint ihr als der einzige Ausweg aus dem unerfreulichen Dilemma. Vorher jedoch ordnet sie noch die Rübenblätter (ihr altes Tagebuch), denen sie sich anvertraut hatte bis zum fiesen Ende (die Rübenblätter erscheinen demnächst unter dem Titel „Rübenblut aus dem Loch der Finsternis – Ein Blog gegen das Vergessen“).

Doch dann, auf der letzten Seite des Romans, platzt ein Knalleffekt in die unverhofften Zeilen, eine überraschende Fügung des Schicksals! Darüber wird hier natürlich nichts verraten, nur soviel, dass ein noch schrecklicheres Ereignis eintritt, welches alle Mühen vergeblich macht, sogar die des Romans, des Plot Points und die der Rübenblätter sowieso.

Nach diesem Erfolg etablierte ich eine Satirekolumne in der Regionalzeitung "Friesländer Bote" (s. Seite Literarium). Ein charmanter Schmähartikel zur Schauverpuffung der Abgase und sonstiger Rituale der Motorradfahrer erregte das Bikervölkchen gar sehr. Der Artikel wurde unautorisiert und illegal in "MOTORRAD" abgedruckt, der "Größten Motorradzeitschrift Europas". Eine Unzahl von Dankesbriefen aber auch zarte Kritik überschwemmte daraufhin die Schreibtische der Redaktion, aber wir wollen uns jetzt eine kleine Pause gönnen. Die Reaktionen der Kradfahrer können dann gern in

 

Bikerschmalz

   verköstigt werden.

 

 

                       

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