Hans Joachim Teschners

Lebens-Quark 25

 


 

Schülergedichtchen?

                                 Kostprobe?

 

Draußen

Vor der Tür

steht ein Luft.

Das hat ohne Beine.

Ein Fenster öffne

fällt das Rauch

saust Wehen

Greif ein Pfeif

Stille.

 

  Begriffen?

             Doch nicht? 

 

Dann vielleicht eine Märchenpoesie?

 

Es war einmal I

Es war einmal ein Einmal.

Das wollte dreimal zweimal.

Beim Keinmal fiel ihm ein,

das Vielmal wär noch kein.

 

Es war einmal II

Es war einmal ein Es

Das pfiff und feixte kess,

bis mal das Ein dem kessen Es

verschmierte Leim in dessen Fress.

 

Es war einmal III

Einmal war es war,

doch keiner hatte es geglaubt.

Wann immer mal ein War es war,

hat Kein geschüttelt es sein Haupt

 

 

Also wirklich, das war doch einfach.

 

 

Für konservativ gestimmte Geister habe ich noch ein Gedichtchen über meine Heimat:

 

Es war die Luft

Wo keine Sonne ist,

im Norden kurz vor Aurich,

wo Gras aus Gräben grünlich sprießt,

gleich hinter Leer rechtsab vom Weg,

wo’s windig pfeift,

wo Nebel aus den Wiesen steigt,

da hat kein Jesus, Buddha, Mohammed,

von Ewigkeiten schwadroniert.

Es war die Luft zu feuchten.

Der grandiose Weltenwurf

versank im Turf,

fing hinter Jever an zu keuchen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   Warum steht hier kein Gedicht?

 

 

Nicht zu verleugnen und ein schwerer Schlag des Schicksals war meine frühzeitige Ausrichtung auf das Musikalische, eine Weichenstellung, die ab meinem 15. Lebensjahr etwaige Begabungsschwerpunkte anderer Provenienz zurückdrängte, ja verschüttete. Nun gut, hie schrieb ich noch eine krude Geschichte, dort ein Gedichtchen (s. linke Spalte), alles zusammen ein schmales Œuvre mit schülerhafter Attitüde und ungesund manieristischer Zusammenhanglosigkeit. Das Manieristische gedachte ich später weiter auszubauen und in diesem Zusammenhang das Fabulieren, Spekulieren und Spintisieren mit der zur Manier prächtig aufgepolsterten Manie ausschäumender Sprachcluster zu überhöhen, im Widerstreit zu den damals wie heute gängigen Dogmen der Literaturpäpste.

Realismus? Langweilig! Etwas für Leute, die mit ihren Kreativdefekten unzureichend klarkommen und sich Einsichten erhoffen, die sie sowieso nie erlangen werden – wie wir anderen auch.

 

Was ist schon ein zusammengebastelter und mühselig recherchierter Historien- oder Familienschinken gegenüber einer aufblitzenden schrägen Idee, gar nicht zu reden von den dröhnenden Bildungs- und Entwicklungsromanen mit ihren 1000 Seiten und der hauseigenen Küchenpsychologie, mit der die schwitzenden Schriftarbeiter die Charaktere ihrer Figuren pomadisieren.

 

Je länger ein Roman, desto unfähiger der Autor, das Wesentliche herauszustellen!

 

So polemisierte ich mit der mir schon damals eigenen Unzulänglichkeit des Durchkauens hin- und her- und gummiartig langgezogener Historiengemälde, die einem die Zeit für eigene Ideen stehlen wie heutigentags das Internet.

Es kam aber nicht gleich zu den unbefangen projektierten Sprachexperimenten (mit gleich sind ca. 30 Jahre gemeint). Zuvor mussten Beatbands gegründet und Bandnamen erfunden werden. Das Wichtigste also am Anfang. Mit der Findung eines originellsten Namens befassten wir – das waren zwei bis vier Gründungsmitglieder, die vor dem Radiogeschäft Bokelmann herumlungerten und die dort ausgestellte gebrauchte Höfnergitarre (Framus?) mit angebacktem Tonabnehmer bewunderten – wir also befassten uns damit in der Regel mehrere Wochen lang und danach kontinuierlich weiter. Dabei entwickelten wir einen größeren Erfindungsgeist als beim nachmaligen Musizieren. In den Anfangsjahren der Beatmusik musste es natürlich ein englischer Name sein! Alle deutschen Bands verpassten sich so einen, sie hießen The Rattles oder The Lords oder noch bescheuerter. Wir – und damit meine ich die schon erwähnten Beklopptesten in unserer Kleinstadt – wir verfielen auf immer abstrusere Namen: The Why - The Glenn Millers –  The Jack the Rippers – The Schocker – The Elviras Schneebesen. Bei den letztgenannten, den deutschelnden Titel, zeigte bereits etwas Widerborstiges in uns sein spitzes Zähnlein, nämlich in der Verweigerung der unausgesprochenen Vorschrift, dass eine Beatband einen englischen Namen tragen müsse.

Am besten gefiel uns The Jack the Rippers, weil da zwei the vorkamen, und – logisch – steigerten wir den nunmehr gefundenen Trick mit dem anglisierenden the. Es folgte The Knife of the Jack the Rippers, unterbrochen von einem Zwischenergebnis, und das lautete The Mäckie of the Messers.

Bei all den Vorschlägen fiel uns die eiserne Regel der Namensgebung quasi mit der Tür ins Kontor, nämlich, dass der Bandname stets mit The anfangen musste, gefolgt von irgendeinem Blödnamen. Klar, dass daraufhin Diedel  – der ewige Zweitgitarrist war damals schon dabei – den unausweichlichen Titel The Irgendeinblödname zwischen seine schiefen Zähne klemmen musste. Zu lang, befand Susanne, die meistens Kartoffelsalat zu unseren Treffen mitbrachte und eine Fuhre Kaffee (Gleichberechtigung hatte da noch einen Klang), dafür aber nicht singen konnte und stattdessen Schlagzeug spielen wollte (wollte! wenn sie denn wenigstens eine Trommel besessen hätte).

Dann präsentierte der designierte Bassist Hermann "Quintus" Grotelüschen(er besaß bereits eine Wandergitarre und Kenntnisse des Quintenzirkels, daher sein Spitzname) einen Vorschlag, der die Theorie der Zeichen und ihrer Deutung revolutionieren sollte: The The. Daraus wurde The Th. Schließlich nur noch The und dann Th. Keiner wusste mehr, was das sollte, es hatte sich eine Art Eigendynamik entwickelt, und Begriffe wie Selbstreferentialität oder auch Metasprache sagten uns nichts, da sie eh unserem Wortschatz fremd waren.

Wohlgemerkt: Gespielt hatten wir bis dahin noch keinen Ton zusammen, sondern uns nur in Kneipen getroffen, an der Straßenecke oder in miefigen Jugendzimmern, und uns dort vollgelabert und -geblödelt.

Wir hielten unsere Methode für die übliche Art und Weise, eine Band zu gründen und Beatmusik zu machen. Genau so, dachten wir, blödelten alle englischen Bands nach Schulschluss herum und lasen in ihrer Freizeit Kafka, Schwitters, Joyce und Camus. Jockel Meier aus der Mühlenstraße hatte sich sogar auf die Lektüre Jean Genets verstiegen, was allerdings eher seiner sexuellen Umtriebigkeit geschuldet war als der literarischen Qualität seines Lieblingsschriftstellers. Eines der Bücher hieß „Die Zofen“, und es brachte uns in Schwitzen, obschon wir keine einzige Zeile daraus gelesen hatten. Um die teuren Ausgaben zu erstehen, ohne rufschädigendes Getuschel in unserer Kleinstadt auszulösen, musste Jockel per Anhalter nach Bremen fahren, um sich dort inkognito zu bedienen. Das nötige Kleingeld besorgte er sich, indem er die Rabattbücher seiner Oma klaute und sie im Sparladen einlöste. Jockel Meier war ein paar Jahre älter als wir anderen, trug nur schwarze Klamotten und einen selbstgefärbten schwarzen Rollkragenpullover, auch an den heißesten Sommertagen. Wir hielten ihn für einen Existenzialisten! Jockel hatte sogar schon eine Lehre als Dekorateur abgebrochen, was unsere Bewunderung noch steigerte. Insgesamt eine Figur, die unsere Phantasie so richtig zum Galoppieren brachte, und es war keine Frage, dass Jockel in unserer zukünftigen Band eine herausragende Funktion besetzen musste. Welche das sein sollte, war noch nicht ausgemacht. Wir wussten aber, dass Jockel schon mal auf einer Mundharmonika herumgequietscht hatte und den Text von „One night with you“ auswendig aufsagen konnte. 

 

Rückblende ins Dunkel der Vergangenheit, in ein musikalisches Missverständnis evident metaphysischer Versoffenheit:

 

Zuvor hatte ich mir nämlich mal ein Altsaxophon gekauft. Kann sein, dass ich da schon in der 10. Klasse war und meinen dritten Schultypwechsel noch nicht ganz verwunden hatte. Kommen wir zum Punkt: Meinen Vorbildern Charlie Parker und Ornette Coleman nachzueifern galt als minimalste Pflicht eines Mittelschülers mit literarisch unreifen Ambitionen. Kurz, das Horn quietschte, kreischte, blecherte, schrillte, gellte und jaulte unter der Tortur meiner kraftstrotzend aufgezäumten Energie. Die Qualen meiner Mitbewohner (alle Brüder, Schwestern, Eltern, Nachbarn sowie das Laufpublikum aufzuzählen reicht der Platz nicht) erlangten den Status eines Stadtgesprächs auf zenitalem Mitleidspegel und ich selbst den eines vollkommen unmusikalischen und bekloppten (da haben wir es wieder!) Psychopathen.

Nach vier Tagen wurde mir das „Üben“ verboten.

Da aber hatten sich meine saxophonösen Fertigkeiten schon herumgesprochen und ich bekam das Angebot eines jungen Herrn und Trompeters, mit ihm eine Combo zu gründen. Es würde nur noch der Schlagzeuger fehlen. Der war schnell gefunden, ein Schulfreund erbot sich an, die Lücke zu füllen. Unser Trio übte in der Garage des Schulfreundes, der daselbst ein zerbeultes Becken (Wehrmachtserbe), zwei geschnitzte Eichenholzknüppel und eine Spielmannszugtrommel mit nur einem Fell zusammentrug und dieses Arrangement als Schlagzeug imaginierte. Der Trompeter konnte zwei Melodien in B-Dur spielen und gab somit das Repertoire vor, es bestand aus:

1. Pepito („Komm Pepito heute Nacht“)

2. La Paloma

 

 

Das alles glauben Sie?

               Tja, so ist das mit den Biographien: Reine Glaubenssache.

                                       Und todlangweilig.

 

 

 

 

      Wenn links Gedichte stehen,

          dann hat rechts den gleichen

                                   Anspruch!

 

Wenzels Bart

Hat ein Bart der Wenzel

zieht sich schwärend

oberlippig

fest verdröselt mit ein Ohr

kinnverladend

kieferstarr

durch das Matsch

was sich nennt:

Wenz-Visage

 

 

 

Romanschriftsteller: einer,

der aus Feigheit seine Gedanken

in fremden Köpfen versteckt (Stanislaw Jerzy Lec)

 

 

 

 

Höfner oder Framus?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

The The: Auf solch einen Flachsinn können ja nur verdeppte Provinzler kommen. Kein Wunder, dass aus denen nichts geworden ist.

 

 

 

 

 

Und wo blieb Böll? Da sieht man‘s wieder.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wieso steht hier kein Text?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zenital?

 

 

 

 

 

 

             saxophonös? Ist das eine Geschlechtskrankheit?

Öffentliche Bekanntmachung zur gesellschaftlichen Stellung des Königs anlässlich unbotmäßiger Äußerungen von Untertanen, die durch Aktivitäten gewisser noch zu ermittelnder Unruhestifter zu Insubordinationen verführt wurden, welche keineswegs als lässliche Verstöße gegenüber Recht & Monarchie anzusehen sind.

 

Es muss nicht immer der König sein,

der die Eier legt

Auch hohe Staatsbeamte,

Minister, Präfekten, Verwaltungsdirektoren,

sogar untadelig vereidigte Professoren,

lassen hie und da,

meist abseits im Gehege,

ihre Eier zurück.

-mit ausgesuchter Diskretion, versteht sich.

Die Würde des Königs wird keinesfalls verletzt

von subalternen Eiervorkommnissen.

Er schließlich legt die dicksten Eier.

Ein König bleibt immer König.

Die dicken Eier beweisen es.

 

Gesichter eines Lebens

        

H. J. Teschner                                     H. J. Teschner                                      H. J. Teschner                                      H. J. Teschner

 

 

 

 

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